Hallo zusammen!
Der 29. Mai 2016 fügte sich ein in eine Serie schwerer Unwetter, die Deutschland bis in den Juni hinein heimsuchten. Traurige Berühmtheit erlangte an diesem Tag beispielsweise Braunsbach in Baden-Württemberg mit verheerenden Überschwemmungen und Todesopfern. Auch in Unterfranken traf es einige Gemeinden an diesem Tag sehr heftig.
Den Tag über war es in Unterfranken zunächst ruhig und man verfolgte aufgrund der erwarteten Unwetterlage gespannt auf dem Niederschlagsradar, wie sich die Situation im Süden von Baden-Württemberg und Bayern entwickelte. Die Modelle und Prognosen gingen von der Entwicklung eines großen Gewittersystems aus, durch dessen langsame Verlagerung vor allem Gefahr von Überschwemmungen durch massive Regenfälle und Hagel bestand. Nach und nach entwickelten sich dann über großen Teilen von Baden-Württemberg und Bayern starke Gewitterzellen, die sich zu größeren Komplexen zusammenschlossen und bereits schwere Unwetter verursachten (Braunsbach, Augsburg während des Länderspiels, etc.). Etwaige Entwicklungen in Mittelfranken taten sich allerdings am Anfang noch schwerer und es schien, als wollten sie nicht so recht in Gang kommen. Dies sollte sich jedoch ändern, als sich der Komplex von Süden her näherte und bei Ansbach eine massive Gewitterzelle entstand, die dort erheblichen Schaden anrichtete durch Überflutungen und sich dann langsam Richtung Unterfranken verlagerte. Während ich an diesem Tag eigentlich nicht rausfahren konnte, da ich am Abend dienstlich wieder zurück nach Aschaffenburg musste, behielt Kollege Dominik die Lage im Auge und war bei Ochsenfurt unterwegs (wie auch andere Stormchaser), noch nicht ahnend, welch ein Monster sich ihm gleich nähern sollte…
Es war gegen 20 Uhr, als im südlichen Unterfranken ein Weltuntergangsszenario hereinbrach. Dominik meldete sofort eine ausgeprägte Shelfcloud an der gewaltigen Zelle, die sich ihm unter Dauerflackern näherte.
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Schon bald musste er unter einer Tankstelle Schutz suchen, da ein massiver Downburst über Ochsenfurt herunterkam mit Böen bis wahrscheinlich Orkanstärke, tischtennisballgroßem Hagelschlag und sintflutartigem Regen, der in kürzester Zeit zu Überschwemmungen und Erdrutschen im gesamten südlichen Landkreis führte. Dominik musste sich schließlich durch jede Menge überflutete Straßen kämpfen, um voran zu kommen, während die Feuerwehren pausenlos im Einsatz waren, um vollgelaufene Keller leer zu pumpen und Straßen freizubekommen. Selbst Bahnstrecken in der Region wurden durch Erdrutsche unterbrochen.
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Dies war der Zeitpunkt, als ich mich mit einer Kollegin Richtung Aschaffenburg hätte auf den Weg machen wollen. Zwischen 20:30 Uhr und 21 Uhr stieg ich in mein Auto und fuhr – aufgerüttelt durch die erschreckenden Meldungen von Dominik – kurz auf einen Hügel, um einen Eindruck davon gewinnen zu können, ob eine Fahrt auf die Autobahn überhaupt noch ohne weitere Gefahr möglich gewesen wäre. Sehr schnell erkannte ich, dass dem nicht mehr so war, denn von Süden her näherte sich die bedrohliche Zelle unter nicht enden wollendem Geflacker und immer wieder herausschießenden Erdblitzen samt dumpfem Donnergrollen. Und nicht nur das: immer mehr ließ sich die Struktur der Shelfcloud erahnen, während schon aus dieser Entfernung ein merkwürdiger grüner Schimmer in den Wolken erkennbar war. Das Monster zog immer näher auf Würzburg zu…
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Aus meiner Perspektive fiel zudem die eingedrehte Struktur der Zelle auf und man konnte anhand der Zugrichtung der Wolken erkennen, dass die gesamte Zelle in Rotation war. Schnell wurde von verschiedenen Stormchasern bestätigt, was sich am Himmel über Würzburg nun bereits abzeichnete: die Gewitterzelle hatte wider Erwarten offenbar eine derart krasse Eigendynamik entwickelt, dass sie sich zu einer massiven HP-Superzelle formiert hatte. Die Atmosphäre mit den pausenlosen Blitzen in den Wolken und gefährlichen Erdblitzen, die immer wieder Richtung Südwesten einschlugen in Verbindung mit diesen Ehrfurcht einflößenden Formationen, der schwarz-grünlichen Färbung und dem Dauerdonnern war ein absoluter Gänsehaut-Moment für jeden Stormchaser und doch wusste man zugleich, dass mit diesem Monster nicht zu spaßen war und dass die Orte, die in der direkt Zugbahn lagen, gerade massivste Probleme hatten.
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Die Shelfcloud rollt heran:
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Nun erreichten mich auch Nachrichten besorgter Freunde, die den Ernst der Lage bereits erkannten. Ich kontaktierte daher meine Kollegin und ließ sie wissen, dass ich sie schnell abholen würde, wir aber aufgrund der bedrohlichen Situation uns lieber irgendwo unterstellen sollten, als dass wir auf die Autobahn fahren würden, die in der direkten Zugbahn dieser HP-Superzelle lag. Nachdem in Ochsenfurt bereits Chaos herrschte durch das Unwetter, warnte auch Dominik ausdrücklich davor, zu diesem Zeitpunkt auf die Autobahn zu fahren. So machten wir uns auf zum Campus Hubland der Universität, wo eine Parkgarageneinfahrt inklusive überdachter Bushaltestelle den optimalen Zufluchtsort für uns bot. Zunächst hielten wir jedoch kurz an der FH an, von wo aus man einen schlichtweg furchteinflössenden Blick auf die monströse Szenerie hatte: die HP-Superzelle schob sich mit ihrem turbulenten Böenkragen und einem unglaublich intensiven giftgrünen Schimmer im Niederschlagskern und in den Wolken, unter Dauerflackern und Blitzeinschlägen, langsam über das Maintal, während ununterbrochener Donner über uns hinwegpolterte. Aufgrund der Eile und der brenzligen Situation ist die Qualität der nun folgenden Bilder leider nicht gerade optimal, da ich in der Hektik einfach nicht die korrekten Kameraeinstellungen fand:
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Wissend, welch intensive Niederschlagsmengen hier in dieser Zelle herunterkommen könnten und wie groß die Hagelgefahr war, war dies nun der Moment, wo es selbst mir als eingefleischtem Stormchaser zu gefährlich wurde. Nachdem auch an anderer Stelle von Chasern ein Funnelverdacht an der Zelle gemeldet wurde, beschloss ich nun umgehend Unterschlupf zu suchen, um das Unwetter passieren zu lassen.
Mit stürmischen Böen, Blitzeinschlägen und heftigem Regen brach das Unwetter nun auch über Würzburg herein, wobei sich der Schwerpunkt auf die südlichen bzw. südwestlichen Teile der Stadt und den dort angrenzenden Landkreis konzentrierte. Mittlerweile war die Zelle in einen mächtigen, sich immer weiter ausdehnenden MCS integriert, sodass wir nach Durchzug des intensivsten Kerns den Weg nach Aschaffenburg dennoch antreten mussten. Dabei kamen wir teils in strömenden Regen, während immer wieder Blitze in der Nähe um uns herum einschlugen. Selbst für einen Stormchaser war dies eine der beunruhigendsten Fahrten auf der Autobahn überhaupt, da der Verkehr durch den heftigen Regen und Wasseransammlungen auf der Fahrbahn immer wieder ausgebremst wurde, während man die vielen Blitze und Naheinschläge schon bald nicht mehr mitzählen konnte. Endlich in Aschaffenburg angekommen gab es dann auch dort Naheinschläge und starke Niederschläge, ehe der gesamte Komplex nach Nordwesten in die Nacht abzog.
Die folgenden Aufnahmen zeigen Eindrücke der Auswirkungen des Unwetters im südlichen Landkreis Würzburg:
Aus Fuchsstadt bei Giebelstadt erhielt unser Kollege Simon folgende Bilder, dort stand der ganze Ort nach dem Unwetter unter Wasser:
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Dominik begutachtete am nächsten Tag die Schäden im Ochsenfurter Raum und führte dabei auch Gespräche mit Betroffenen, die Schäden durch Schlamm und Wasser in ihren Häusern zu beklagen hatten. Durch den Sturm knickten Bäume um und neben heruntergehageltem Laub fanden sich überall deutliche Spuren der Überschwemmungen vom Vorabend:
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Diese HP-Superzelle und das MCS stellen für unsere Region eines der schwersten Unwetter dar, das hier seit vielen Jahren gewütet hat. Zahlreiche Ortschaften waren teils meterhoch überflutet und auf manchen Straßen blieben Autos im Schlamm stecken, deren Fahrer dann von den Rettungskräften befreit werden mussten. Bahnstrecken wurden teilweise durch Erdrutsche blockiert und die Feuerwehren hatten alle Hände voll zu tun, Keller und Straßen von den Wasser- und Schlammmassen zu befreien. In diversen Ortschaften hinterließen die Überschwemmungen in der Tat erhebliche Schäden, sogar Autos wurden einfach davongespült. Darüber hinaus mussten Sturmschäden beseitig werden, der Hagel hinterließ zudem Dellen in Autos sowie Löcher in Plastiküberdachungen und setzte besonders den Obstplantagen in der Region zu. Während die nördlichen Stadtteile Würzburgs von den schlimmsten Auswirkungen verschont blieben, traf es die südlichen Teile wie Heidingsfeld deutlich heftiger mit ebenfalls überfluteten Straßen und vollgelaufenen Kellern.
Am folgenden Tag gaben wir dem lokalen Sender Radio Gong sowie der regionalen Zeitung Mainpost Interviews zum Unwetter, hier der kurze Artikel dazu:
http://m.mainpost.de/regional/wuerzburg ... 79,9241085Unsere ausführliche Videodokumentation zu den Ereignissen:
https://www.youtube.com/watch?v=nRzr7lz35S4Viele Grüße,
Daniel und Team.