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BeitragVerfasst: Mi 14. Jan 2009, 22:59:54 
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Cirrus
Cirrus
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Registriert: So 14. Sep 2008, 00:08:35
Beiträge: 109
Auch hier gilt das gleiche wie für den vorherigen Beitrag, ich bitte den nicht mehr aktuellen Text zu entschuldigen... ;)

Ganz abgesehen von dem nicht ganz so spannenden Wetter in Deutschland in den nächsten Tagen entwickelt die atlantische Westdrift in anderen Gebieten Europas langsam eine zunehmende Dynamik. Dabei findet innerhalb der flotten Strömung eine Zyklogenese statt, die den Nordteil der britischen Inseln betreffen könnte. Inwiefern dies geschieht, und ob wirklich die Gefahr eines typischen Westdrift-Orkans besteht, das möchte ich hier (größtenteils auf der Basis von GFS 6z von heute) etwas näher betrachten.

Zunächst einmal die Ausgangs-Großwetterlage:
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Die Großwetterlage über dem Atlantik zeigt sich recht klassisch für eine kräftige Zyklogenesen fördernde Westdrift. Ein sowohl in der Höhe als auch am Boden kräftiges, mehrkerniges Zentraltief sorgt zusammen mit dem Azorenhoch für eine kräftige Westströmung über dem Atlantik, die die entstehenden Randtiefs schnell nach Osten treibt. Diese beiden Druckgebiete sorgen aber auch für starke Temperaturgradienten über dem Atlantik. Dies geschieht, da sie mit ihrem jeweiligen „Partner“, im Falle des Islandzentraltiefs einer recht flachen, mehrkernige Hochdruckbrücke über de Osten der USA und Kanada und im Falle des Azorenhochs einem ebenfalls eher flachen Bodentief nordöstlich der Karibik, kalte Polarluft aus Norden und feucht-warme Subtropikluft aus Süden „gegeneinanderadvehieren“. Dies sieht dann in der 850 hPa-Temperaturkarte so aus:
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Man sieht schön die Drängung der Isohypsen vor der kanadischen Ostküste bei Neuschottland und Neufundland. Dies resultiert aus der eben beschriebenen besonderen Position der Druckgebiete, welche auch „Viererdruckfeld“ genannt wird. Diese ist sehr förderlich für eine dynamische Westdrift und die damit verbundenen kräftigen Atlantikzyklogenesen bzw. Schnellläufer-Orkane.

Nun da die Großwetterlage klar ist wechseln wir in den Europaausschnitt.
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Die zwei Hauptdruckgebilde dominieren hier das Geschehen auf dem Atlantik. In dieses Geschehen einbezogen wird nun ein Tief, welches innerhalb der Frontalzone vom kanadischen Festland auf den Atlantik zieht, also eben in die eben beschriebene Zone mit den kräftigen Höhenwinden und den dichten Temperaturgradienten. Man kann also als erste Einschätzung für das Tief zwei grobe Prognosen erstellen. 1. Es wird sich rasch nach Osten bewegen, 2. Es hat gute Vertiefungschancen. Dies nicht zuletzt auch durch die Position auf der Vorderseite eines schwach gekrümmten Kurzwellentroges, wo es Advektion von zyklonaler Vorticity unterliegt, welche Hebung im Bereich des Bodentiefs fördert.
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Die Theta-E-Karte zeigt uns außerdem, dass die Zufuhr von energiereicher Luft bis in den Kern erfolgen kann, wo diese Energie für eine Vertiefung bereitstellt.

12 Stunden später…
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…hat das Tief schon eine recht ordentliche Strecke hinter sich gelassen und sich dabei auch um 15 hPa vertieft. Die weiterhin nahezu ungestörte kräftige Höhenströmung treibt es weiterhin schnell nach Osten langsam aber sicher auf die britischen Inseln zu. Das Tief wurde nun auf die Vorderseite eines „neuen“ Kurzwellentroges gereicht, der alte hat sich durch die langsam in Gang kommende Kaltluftadvektion auf der Rückseite des Tiefs nach Süden ausgedehnt, eventuell ist die neue Kurzwelle auch der nördliche Teil der alten. Jedenfalls wird durch sie weiterhin zwar aufgrund der schwachen Krümmung nicht übermäßig starke, aber doch kontinuierliche zyklonale Vorticityadvektion bereitgestellt.
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Dazu weiterhin standhafte Advektion recht hoher Theta-E-Werte in den Kern. Im Aufgleitsektor rechnet GFS zudem mit ordentlichen Niederschlägen, so dass wir im Satbild Donnerstagabend wohl einen schönen Wolkenschirm beobachten können.

18 Stunden später wird es langsam ernst für den Norden von Irland und Schottland (Oder doch nicht? Dazu gleich mehr…).
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Das Tief hat sich weiter vertieft, wieder um 15 hPa. Das Starkwindfeld hat sich standesgemäß auf der Südseite des Tiefs entwickelt (stärkster Gradient + addierte Zuggeschwindigkeit), welches nun über den Norden der britischen Inseln zieht. Eine 850 hPa-Windkarte zeigt die hohen Geschwindigkeiten (dazu ein Vergleich zum 0z-Lauf, wo das Tief noch ein wenig kräftiger gerechnet wurde, was hier auch stellvertretend für die Unsicherheiten stehen soll, die die ganze Entwicklung noch beinhaltet)
6z:
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0z:
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In beiden Läufen treten also Windgeschwindigkeiten von über 70 Kat in 850 hPa auf, im 0z-Lauf sogar fast 90 Kat. Dies sind schon Winde, die einen Orkan verursachen, WENN, und jetzt kommt die große Frage, die man sich vor jeden Windereignis stellen muss, die Winde denn bis zum Boden durchgemischt werden können. Nun kommen wir also zur Frage von oben zurück. Wird es doch nicht so dramatisch wie es auf den ersten Blick aussieht? Um dies zu beantworten müssen wir uns nun die Möglichkeit des vertikalen Impulstransportes innerhalb des Starkwindfeldes anschauen. Dieser ist dafür verantwortlich, ob die in der Karte dargestellten 850 hPa-Winde bis zum Boden herunter gemischt werden können. Unter welchen Bedingungen ist so ein vertikaler Impulstransport möglich? Damit dies geschehen kann muss die Luftmasse innerhalb des Starkwindfeldes labil geschichtet sein. Diese Labilität ist im Umfeld solcher Zyklogenesen meistens entweder innerhalb einer Front (Kaltfront/Okklusion, nicht Warmfront) oder im rückseitigen Trogbereich durch die Höhenkaltluft gegeben. Dagegen ist die Luftmasse im Warmsektor oder innerhalb der Warmfront oft zu stabil geschichtet, so dass hier die Winde nicht in voller Stärke bis zum Boden durchgreifen können. Wie sieht es nun in diesem Fall aus? Für den ersten Überblick hier die CAPE- und LI-Karte.
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In gesamten Bereich des Starkwindfeldes findet man keine negativen LI-Werte, d.h. auch keine signifikante Labilität. Der Grund hierfür ist wohl vor allem im fehlenden rückseitigen Trogsektor des Tiefs zu suchen, da sich hier meist durch Höhenkaltluft Labilität ausbildet. Das Starkwindfeld liegt also in einem relativ stabilen Bereich. Dafür in Frage kommt dann eigentlich nur der Warmsektor. Hierfür ein Blick auf die Theta-E-Karte….
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…der dann auch gleich die Bestätigung bringt. Das Sturmfeld liegt über dem Nordteil von GB voll im Warmsektor und teilweise sogar noch unter der Warmfront. Labilität kann sich da keine ausbilden, daher werden die Winde auch ein Stück moderater ausfallen, als sie die 850 hPa-Karte suggeriert. Würde dieses Sturmfeld in einem labilen Trogsektor gelegen oder würde es von einer aktiven Kaltfront durchquert werden, wären sehr sicher Orkanböen an der Küste zu erwarten.

Den Norden der britischen Inseln erwischt es also längst nicht mit voller Wucht, aber die Karriere unseres Sturmtiefs ist hier noch nicht beendet. Wie man auf der obigen Geopotentialkarte erkennt liegt das Tief immer noch gut vorderseitig der Trogachse und ist auch erst schwach okkludiert, so dass noch eine weitere Vertiefung zu erwarten ist. Bei einer voll auf Mitteleuropa übergreifenden Westdrift würde das Tief wohl nun ca. ein Zugbahn über Dänemark nehmen und dem Norden Deutschlands einen pustigen Tag bescheren. Da sich aber die Westströmung zurzeit etwa nördlich von Schottland in zwei Äste aufspaltet (einer auf der Rückseite des Mitteleuropatroges in Richtung Mittelmeer und ein anderer auf der Vorderseite des Zentraltiefs die norwegische Küste entlang) kann das Tief Mitteleuropa nicht erreichen und wird auf der Vorderseite des Zentraltiefs in Richtung Norwegen geführt.
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Und Freitagnacht ist es auch schon vor der norwegischen Küste angekommen, nun mit einem Kerndruck von 970 hPa, also noch ein mal eine Vertiefung um 10 hPa. Der Sturmwirbel ist zwar nicht besonders groß, die Isobaren sind dafür aber auf kleinem Raum stark gedrängt. Zudem liegt das Tief nun achsensenkrecht zu dem Kurzwellentrog. Daher kann sich sogar in der Höhe (500 hPa) eine Art Höhenkaltfront und Höhenwarmfront ausbilde, man sieht recht deutlich den Knick in den Isothermen. Andererseits bedeutet dies auch, dass das Tief seinen Höhepunkt wohl erreicht hat, was es auch, dies sei vorweggenommen, hier mit 970 hpa tut. Da das Tief nun leider nicht mehr in der Reichweite der 850 hPa-Windgeschwindigkeitskarten ist muss ich auf die 10 m-Windkarte zurückgreifen um die Lage des Sturmfeldes zu identifizieren.
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Das Sturmfeld befindet sich mittlerweile an der Südsüdwestflanke des Tiefs und zu diesem Termin mitten über den Shetland-Inseln. Allerdings ist auch hier wieder zur Abschätzung der Windstärken am Boden (die 10 m-Windkarten sind da nicht so geeignet) eine Betrachtung der Labilität innerhalb des Sturmfeldes nötig.
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Wie man sehen kann ist das Tief mittlerweile stärker okkludiert. Der Warmsektor ist schmaler geworden und liegt nun deutlich südlich vom Sturmfeld. Dieses deckt sich nun mit der rückseitig der Kaltfront einfließenden Luftmasse. Aufgrund eines fehlenden Trogsektors ist diese zwar nicht hochgradig labil, für einige Orkanböen auf den Shetland-Inseln sollte es aber trotzdem reichen. Zum Samstag hin besteht aber eine immer weiter zunehmende Unsicherheit in der genauen Zugabahn und Intensität des kleinräumigen Tiefs, so dass man hier mit genauen Prognosen noch sehr vorsichtig sein sollte. Dass diese Entwicklung des kleinräumigen Orkantiefs so stattfindet ist aber mittlerweile stark anzunehmen.

Nun begleiten wir das Tief noch kurz auf dem Gang zu seinem Friedhof namens Skandinavien.
Die achsensenkrechte Lage im Höhentrog und die durch die fortschreitende Okklusion fehlende Energie machen dem Wirbel nun schnell den Garaus.
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Auf den letzten beiden Karte sieht man bereits die Nachfolgeentwicklung, welche zunächst in etwa die gleiche Zugbahn über Nord-GB nehmen soll, dann aber eher über Dänemark ziehen. In diesem Zeitraum brauch man sich über solche Sturmzyklonen noch fast keine Gedanken zu machen. Fakt ist aber, dass GFS zurzeit die Westdrift über dem Atlantik ganz schön in Fahrt kommen lassen will, diese aber aufgrund des konstanten Osteuropablocks noch nicht Mitteleuropa erreicht.


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Verfasst: Mi 14. Jan 2009, 22:59:54 


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BeitragVerfasst: So 18. Jan 2009, 00:45:42 
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Bodennebel
Bodennebel
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Registriert: So 23. Nov 2008, 19:49:21
Beiträge: 29
Wohnort: Kleve (Niederrhein)
Beide Beiträge sehr interessant wie ich finde, ich kannte sie auch noch nicht. Ich habe leider nicht derart viel Ahnung von den hochkomplexen Großwetterlagen und deswegen würde ich auch mehr Beiträge dieser Art sehr begrüßen.
Gruß Martin


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BeitragVerfasst: Mo 19. Jan 2009, 00:18:43 
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Cirrus
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Registriert: So 14. Sep 2008, 00:08:35
Beiträge: 109
Ich arbeite gerade an einer sehr umfangreichen Satbild + Kartenanalyse zur derzeitigen Westlage mit allen Sturm- und Randtiefs, ich hoffe mal die wird gut denn in den letzten Tagen musste ich unter leicht chaotischen Umständen Karten und Satbilder abspeichern wegen vielen Beschäftigungen und Ortswechseln zwischen Nordfriesland und Kiel. Ich schätze (hoffe) mal die wird in 2-3 Wochen fertig.


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