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BeitragVerfasst: Fr 9. Jun 2023, 17:17:45 
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In alten Annalen ist zu lesen, dass es um das Jahr 535 n. Chr zu seltsamen Wetterphänomenen ging. Die Sonne war wie von einem Nebel verhüllt, der Mond war kaum noch zu sehen, die Jahreszeiten kamen durcheinander. Die Menschen, die damals ja noch weniger Ahnung als heute vom Naturgeschehen hatten, konnten sich das gar nicht erklären. Aber was war passiert?

Dem Römischen Reich war eine lange stabile Klimaphase beschert gewesen, die man heute das Klimaoptimum der Römerzeit nennt. Durch stabiles Klima und gute Feuchte gab es sowohl nördlich als auch südlich des Mittelmeers reichliche Ernten, so dass genügend Getreide vorhanden war, um auch große Heere zu ernähren - viel Getreide musste auch nach Rom, in die Ewige Stadt, geschafft werden, wo schließlich ca. 1 Million Menschen zu ernähren waren.

Ab dem 3. Jahrhundert veränderte sich das Klima aber - und das mittlerweile auch durch Pandemien (Antoninische Pest, 165 - 190, vermutlich Pocken; Cyprianische Pest, 250-270, nicht eindeutig identifiziert, evtl. ein hämorrhagisches Fieber) erschütterte Römische Reich büßte an Kraft ein. An den Grenzen drangen immer öfter "Barbaren" ein, zudem mussten die als Truppen angeworben werden, um das Römische Reich weiter verteidigen zu können. Auch die Völkerwanderung fällt in diese Zeit der allmählichen Klimaverschlechterung - man kann sich durchaus vorstellen, dass sich Teile der Bevölkerung auf den Weg zu neuem Land machen mussten, wenn das bisherige Land nicht mehr genügend für alle hergab. Ab 400 ließ das Römische Reich die Provinz Britannien sich selbst, so dass es von den Angeln, Sachsen und Jüten vom Kontinent her überrannt werden konnte.

Dies führte alles letztendlich dazu, dass das Weströmische Reich im 5. Jahrhundert zerbrach, der letzte Kaiser war bis 475 Romulus Augustulus.

Aber es sollte noch heftiger kommen!

Wir befinden uns im Jahr 535 und den folgenden Jahren. Nach Beschreibungen aus der Zeit schien die Sonne plötzlich viel Schwächer. Zum Beispiel waren plötzlich selbst um Mittag keine Schatten zu sehen waren. Weitere Aussagen – ich zitiere hier den römischen Staatsmann Cassiodorus – sind: »Der Mond war, auch wenn er voll war, ohne Glanz.« - »Ein Winter ohne Stürme, ein Frühling ohne Milde, und ein Sommer ohne Hitze«. Der Himmel sehe aus als habe man ein Pergament über ihn gezogen, heißt es weiter. In den Irischen Annalen ist für 536 – 539 ein »Ausfall des Brotes« (d. h. schwere Missernten) verbürgt. Für Teile Chinas heißt es, dass im August Schnee fiel und sich so die Ernte verzögerte. Die Menschen befürchteten wohl teils sogar, dass die Sonne verlöschen würde.

Was war der Grund dafür?

Man geht heute davon aus, dass sich um das Jahr 535 mindestens 2, vielleicht 3 große Vulkanausbrüche ereigneten. Einer konnte dem Vulkan Ilopango in El Salvador zugeordnet werden. Heute ist dort eine von einem See gefüllte Caldera zu finden. Der Ausbruch dürfte etwa 84 km³ an Auswurfmaterial (»Tephra«) hervorgebracht haben. Weitere Kandidaten sind der Rabaul in Papua Neuguinea und mögliche Ausbrüche auf Island, das damals noch menschenleer war.

Diese Vulkanausbrüche brachten große Mengen an Staub und auch Schwefeldioxid in die Athmospäre, was zu einem mehrjährigen vulkanischen Winter führte. Der Staub war so stark, dass die Sonne eben nur noch dürftig scheinen konnte.

Dass es kälter wurde, ist unter anderem durch Dendrochronologie nachgewiesen. Die Bäume zeigten für Jahre schmälere Ringe, waren teils auch frostgeschädigt. In Teilen Südamerikas muss es eine verheerende Dürre gegeben haben, die das Ende der Moche-Kultur auf dem Gebiet des heutigen Peru einläutete.

Nun wollen wir uns noch ein paar Dinge ansehen, wie sich das ganze auf die Geschichte unserer Erde auswirkte. Zu der Zeit bestand noch das Oströmische Reich, das nicht zerbrochen war und das von Kaiser Justinian I. (482 – 565, Regierung ab 527) regiert wurde. Justinian hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Römische Reich zu erneuern und eroberte Gebiete des ehemaligen Weströmischen Reichs, darunter den Westbalkan, Italien, Sardinien, Korsika, die Balearen und Teile Südspaniens und Nordafrikas. Das konnte er auch nach 535 noch fortsetzen, die letzten Eroberungen fanden noch 554 ganz im Westen des Reiches statt, trotz widriger Bedingungen, die auch in Justinians Reich zu Missernten führten.

Dazu kam, dass die geschwächte Bevölkerung sich nicht gegen eine schwere Pandemie wehren konnte, die von Osten her das Land überzog – die Justinianische Pest. Nachgewiesenermaßen war das tatsächlich die Pest; DNA des Erregers Yersinia pestis konnte an mehreren Orten, auch im heutigen Deutschland, nachgewiesen werden. Die Pest wütete von 541 bis 549, kam aber später auch noch in neuen Wellen. Vermutlich kam durch Hunger und Pest in Europa zwischen 25 und 60 % der Bevölkerung ums Leben.

Wie schon gesagt, Justinian konnte noch fast bis an sein Lebensende (565) die Eroberungen fortsetzen, aber danach ging es mit dem (Ost-)Römischen Reich deutlich bergab. Im folgenden Jahrhundert begann die Geschichte des Islams, und das Oströmische Reich war nicht mehr stark genug, sich gegen den Ansturm dieser neuen Macht – des Islamischen Kalifats – zu wehren. Alle Gebiete in Afrika, Spanien und dem Mittleren Osten gingen verloren, es blieb praktisch nur noch Anatolien, Griechenland und der Balkan übrig, und endgültig zu Ende ging die Geschichte des Oströmischen Reiches erst mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453.

Besonders große Auswirkungen muss die Klimakatastrophe ab 535 in Nordeuropa gehabt haben. Fachleute gehen davon aus, dass die Sage vom Fimbulwetr (Fimbulwinter, mächtiger Winter), die in der Sagensammlung »Edda«, niedergeschrieben um 1300, enthalten ist. Da ist die Rede von drei Wintern, die ineinander übergingen. Das kann man sich für Skandinavien schon vorstellen, dass da die Auswirkungen noch heftiger waren und dass es schien, als wenn der Winter fast nicht zu Ende gehen wollte, wenn womöglich auch im Sommer Schnee fiel. Feldfruchtanbau war wohl kaum noch möglich, auch das Vieh fand weniger Gras, weil es nicht mehr wuchs, die Fjorde blieben länger zugefroren, so dass auch das Fischen und die Robben- und Waljagd schwieriger wurde. Es muss eine heftige Hungersnot gegeben haben, auch ist nicht auszuschließen, dass selbst bis dort die Justinianische Pest hin gelangte. Fachleute gehen davon aus, dass mindestens 50% der Bevölkerung in Skandinavien umkam und dass das zu extremen gesellschaftlichen Veränderungen führte, die dann in die Wikingerzeit mündete.

Somit hat die Klimakatastrophe von 535 ff auch zur Formung der Welt, wie wir sie können, beigetragen.

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Verfasst: Fr 9. Jun 2023, 17:17:45 


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BeitragVerfasst: Sa 27. Jan 2024, 14:55:05 
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Ich stelle es mal hier dazu, weil es da am besten passt: Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat mittels von Sedimenten im Golf von Tarent (also quasi unter der Fußsohle des italienischen Stiefels) das Klima im Römischen Reich erforscht. Dazu gehört auch das, was in meinem obigen Aufsatz beschrieben ist, eine Abkühlung, die so plötzlich wie heftig war. Das ist wieder sowas, da kann ich meine beiden wichtigsten Themen Geschichte und Wetter/Klima verbinden.

https://science.orf.at/stories/3223275/

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adk1033

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