Servus zusammen,
gestern habe ich endlich das 2. Staatsexamen abgeschlossen und somit neigt sich eine sehr aufreibende zweijährige Referendariatszeit dem Ende. Gelegenheit für mich, euch endlich mal Material nachzureichen, das ich euch nicht vorenthalten möchte!
Als eine außergewöhnlich langlebige Unwetterserie begann, in Deutschland ihren Lauf zu nehmen, wurde die Atmosphäre auch in Franken zunehmend turbulent und explosiv. Am 27. Mai 2016 waren dabei die Bedingungen für die Entstehung von Superzellen überaus günstig.
Der Tag startete an sich nicht besonders hoffnungsvoll stimmend, da dichte Wolken und Regen zunächst Einstrahlung verhinderten und wir es somit erst einmal mit einer viel zu stabilen Luftmasse in unserer Region zu tun hatten, in der Gewitter kaum hätten entstehen können. Am Nachmittag lockerte es jedoch auf und prompt heizte die Sonne gut ein. Die dampfige Luft begann nun zunehmend zu brodeln, doch anfangs gab es nur in anderen Gegenden wie im Bereich Stuttgart teils heftige Entwicklungen mit Superzellen. Doch auf einmal löste es auch im Spessart aus, sodass Dominik und ich in der Nähe von Marktbreit Stellung bezogen, um die weitere Entwicklung im Auge behalten zu können.
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Charakteristisch für die Wetterlage an diesem Tag – und zugleich problematisch für die betroffenen Orte – war die langsame Zuggeschwindigkeit der Gewitterzellen. Auch unsere Zelle verlagerte sich nur sehr gemächlich in südöstlicher Richtung aus dem Spessart hinaus in die Main-Tauber-Region, während ihr Amboss sich jedoch schnell ausbreitete und weit nach Osten ausgeweht wurde. Tiefere Bewölkung verdeckte vorerst die Sicht auf die Gewitterzelle und so konnten wir nur anhand ihres Schattenwurfes erahnen, wie sie sich nach und nach entwickelte. Doch trotz der an sich fehlenden Winde, die eine schnellere Verlagerung hätten bewirken können, herrschte offensichtlich eine ausgeprägte Windscherung mit zunehmender Höhe, sodass etwaige entstehende Gewitterzellen sich schnell zu Superzellen formieren konnten. Für das Chasen und Spotten war die langsame Zuggeschwindigkeit natürlich wiederum vorteilhaft.
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Diese tiefe Bewölkung hatte jedoch auch etwas Positives: nachdem wir bereits verdächtige Signaturen und Verhaltensweisen in Bezug auf die Zugrichtung der Zelle auf dem Niederschlagsradar feststellen konnten und erste Warnungen auftauchten, die vor einer intensiven und vermutlich rotierenden Gewitterzelle warnten, fingen nun auch die tieferen Wolkenschichten an, auffällige Strukturen anzunehmen. Sie schienen sich regelrecht um die Gewitterzelle herum einzudrehen und vor allem konnte man mit bloßem Auge erkennen, wie die herannahende Zelle jede Feuchtigkeit und Energie in der Gegend aufsaugte – die Wolken zogen teils konträr zur eigentlichen Zugrichtung in die Gewitterzelle hinein. Mit jeder Minute wurde Stimmung spannender und beeindruckender…
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Wir erkannten, dass uns die Zelle nun davonzuziehen drohte und somit fuhren wir Richtung Uffenheim weiter. Stück für Stück wurde jetzt Struktur der Gewitterzelle immer deutlicher erkennbar, und schon bald gab es keinen Zweifel mehr: wir hatten eine aktive Superzelle vor uns!
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Bei Uffenheim positionierten wir uns auf einem Feldweg mit Blickrichtung Südwesten, wo die Superzelle sich zu diesem Zeitpunkt bei Bad Mergentheim befand. Hier erreichten uns auch Berichte von Followern unserer Facebook-Seite, dass es in der Main-Tauber-Region durch diese Superzelle gerade ein Hagelunwetter gab mit Hagelkörnern um die 3cm und sogar einem Funnel-Verdacht. Mittlerweile konnten wir ein ständiges Donnergrollen aus den Höhen der sich auftürmenden Gewitterzelle vernehmen, denn ganz typisch für solche Superzellen entluden sich pausenlos Wolkenblitze – eine absolut faszinierende Stimmung, während sich die Superzelle vor uns wie eine Schraube immer weiter eindrehte.
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Nach einigen Minuten holte uns der Regen aus dem ausgewehten Wolkenschirm ein und wir mussten uns wieder verlagern, um weiter an der Superzelle dranbleiben zu können. Dabei hatten wir während der ganzen Fahrt einen beeindruckenden Blick auf dieses Bilderbuchexemplar einer LP-Superzelle, aus der immer wieder meist Wolkenblitze herauszuckten:
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„Das Dorf unter der Meso“:
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Bei Adelshofen in der Nähe von Rothenburg ob der Tauber machten wir wieder Halt und genossen eine atemberaubende Atmosphäre aus einer irren Geräuschkulisse mit Dauerdonnern und Wolkenblitzen über uns, während die LP vor uns vor sich hin rotierte:
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Doch das Vergnügen hielt nur kurz, denn schon holte uns der Regen wieder ein und wir mussten nochmals ein paar Kilometer Richtung Rothenburg ob der Tauber fahren. Dort hielten wir dann auf einer freien Fläche an, wo wir der sich nun deutlich abschwächenden Superzelle dabei zusehen konnten, wie sie ihre letzten Regungen von sich gab und dabei dennoch eindrucksvolle Strukturen aufwies. Dort trafen wir außerdem zufällig einen Chaserkollegen aus Erfurt, kurze Zeit später stießen noch zwei Kollegen aus Hessen mit dazu – Chaserkonvergenz unter der Meso, wie es immer so schön heißt:
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Nun gab es ein weiteres Schauspiel. zunächst hatten wir den noch komplett eingedrehten Aufwindturm der sterbenden Zelle vor uns, doch keine 20 Minuten später war nach einem nochmaligen Regenguss nichts weiter von Superzelle übrig als ein paar kleine Wolken am Himmel – einen derart schnellen Wechsel von voller Power auf komplette Auflösung haben wir so auch noch nicht gesehen.
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Somit kehrte für den Moment erst einmal Ruhe ein und da wir nun schon unter Chaserkollegen versammelt waren, diskutierten wir die weitere Lage. Zu diesem Zeitpunkt wüteten schwere Gewitter in Hessen (Stichwort Wiesbaden), sodass durchaus die Überlegung im Raum stand, zurück nach Nordwesten zu fahren und diese Zellen abzufangen. Es bestand jedoch die Gefahr, dass ihnen im Rhein-Main-Gebiet oder spätestens im Spessart der Saft ausgehen würde. Währenddessen fiel uns plötzlich eine Neuentwicklung in südöstlicher Richtung bei Ansbach auf. Nach einigem Abwarten beschlossen wir, wieder auseinander zu gehen und so machten Dominik und ich uns auf Richtung Ansbach-Zelle.
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Die massiven Quellungen sprachen für eine gesunde und starke Entwicklung der Zelle. Der Weg zu ihr war jedoch nicht ganz einfach, mussten wir doch erst nach Süden fahren, um dann auf die A6 Richtung Nürnberg zu gelangen. Während der Fahrt hatten wir die ganze Zeit die beeindruckende Rückseite der sich gewaltig auftürmenden Gewitterzelle vor uns, die ganz offensichtlich aufsaugte, was um sie herum verfügbar war, denn schon bald gab es außer der Zelle so gut wie kein Wölkchen mehr weit und breit am Himmel zu sehen!
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Zu erkennen waren außerdem zwei Aufwindtürme und das Niederschlagsradar bestätigte schließlich bald unseren Verdacht, dass sich vor uns ein Zellensplit vollzog. Andere Stormchaser befanden sich südlich dieses Gewitters und konnten aus ihrer Perspektive auch hier eine Superzelle bestätigen. Schon rein optisch ließ sich die Rotation erahnen. Wir taten jetzt alles, was in unserer Macht stand, um an sie so schnell wie möglich heranzukommen…
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Südlich von Nürnberg fing für uns dann jedoch eine kleine Odyssee an, denn im ländlichen Mittelfranken mussten wir uns nun im Regen über Landstraßen zu kämpfen mit nur einer groben Ahnung, in welche Richtung es ging. So gelang es leider nicht mehr rechtzeitig, uns vor die Superzelle zu positionieren, sodass wir auch dieser Zelle nur noch beim Sterben zusehen konnte. Nach dem Zellensplit dauerte es auch nicht lange, bis sie sich nach und nach abschwächte. Bei Hilpoltstein an der A9 hielten wir nun die letzten Impressionen des Tages an der sich langsam auflösenden Meso fest:
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Nichtsdestotrotz ging für uns ein absolut erfolgreicher und spannender Chasingtag mit einer Fülle an Impressionen zu Ende. Nach einer Stärkung beim Burgerbrater unseres Vertrauens ging es schließlich zurück nach Würzburg, wo wir im Mainfrankenpark noch abschließend das rege Wetterleuchten eines Gewitterkomplexes bei Ulm genossen. Hier das Video zum Superzellen-Chasing:
https://www.youtube.com/watch?v=b1pikf65NZ4Grüße,
Daniel und Team.