Hallo liebe Wettercommunity.
Nur zwei Tage nach den heftigen Unwettern vom 05.07.2015 stand für Unterfranken eine weitere brisante Unwetterlage an: eine weitere Kaltfront sollte auf die nach wie vor dominante schwülheiße und hochenergetische Luftmasse treffen. So kam es im Vorfeld der Kaltfront verbreitet zu neuen und vielerorts schweren Gewittern. Dabei sollte Unterfranken auch mehrere Superzellen abbekommen.
Der Tag begann mit freundlichem und heißem Wetter, bis zum Nachmittag blieb es ruhig. Jedoch deuteten jede Menge Gewittervorboten am Himmel in Form von Altocumulus castellanus und Altocumulus floccus bereits auf die vorherrschende Labilität in der Atmosphäre hin. Zum späten Nachmittag und frühen Abend hin ging es dann los, als sich von Westen her ausgedehnte Eisschirme sich entwickelnder Gewitter am unterfränkischen Himmel ausdehnten. Ich begab mich hinaus aus Bad Königshofen und suchte mir ein paar Kilometer westlich einen freien Standort zur weiteren Beobachtung, wo ich folgende Stimmungen einfangen konnte:
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So richtig wollte sich jedoch noch nichts in den Raum Rhön-Grabfeld begeben. Zwar sah man ab und an Blitze und es donnerte, doch zogen die Zellen häufig unter Verclusterung nach Thüringen ab und mieden meinen Standort, während weitere Zellen über dem südlicheren Unterfranken unter Abschwächung Richtung Haßberge zogen. Nicht so recht wissend, in welche Richtung ich fahren sollte, ging es eine Zeit lang munter um Bad Königshofen herum umher, wo sich mir diese Gewitterimpressionen boten:
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Eine auffällige Absenkung an einer entfernten Zelle über der Rhön:
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Auch unser Kollege Simon war zu diesem Zeitpunkt unterwegs, um sein Glück zu versuchen, jedoch wusste auch er nicht so recht, in welche Richtung es gehen sollte und mangels ausreichender Internetverbindung und eigener Konfusion bei dieser Lage schickte ich ihn fataler Weise zu früh von Bad Kissingen zurück nach Süden, als ich auf dem Radar eine brisante Zelle nördlich Würzburg vorbeiziehen sah und ihn aufforderte, damit sein Glück zu versuchen. Da auch dieses Vorhaben fehlschlug, wies ich Simon an, ab sofort selbst zu entscheiden, da ich selbst in diesem Moment nicht so recht wusste, was noch wo passieren könnte – manchmal verlaufen Chases einfach total wirr.
Wie sich herausstellte, war die Würzburger Zelle eine waschechte LP-Superzelle mit beeindruckender Mesozyklone, die von diversen Stormchasern beobachtet werden konnte und teilweise auch eine ausgeprägte Wallcloud gehabt haben muss. Unsere Kollegin Natalie konnte die Superzelle von Waldbrunn aus festhalten:
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Unser Kollege Sebastian konnte von Rottendorf aus die sich abschwächende und nach Nordosten abziehende Superzelle beobachten:
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In der Zwischenzeit hatte ich mir einen Standort knapp nördlich von Bad Königshofen gesucht, von dem aus ich das weitere Geschehen im Auge behielt. Richtung Thüringen brodelte es ganz ordentlich und über mir war noch der Eisschirm der toten Würzburger Superzelle samt Mammati zu sehen:
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Noch schien sich nichts so richtig in die Gegend um Bad Königshofen begeben zu wollen, doch dann fiel mir am westlichen bis südwestlichen Horizont eine neue Entwicklung auf, die schon sehr bald meine volle Aufmerksamkeit genießen sollte:
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In den Momenten, in denen ich einmal Internetempfang mit dem Handy hatte, konnte ich auf dem Niederschlagsradar bereits erkennen, dass aus Hessen bzw. dem westlichen Unterfranken kommend zwei sehr verdächtige, kräftige Gewitterzellen auf dem Weg Richtung Landkreis Rhön-Grabfeld waren. Ich behielt meinen Standort also bei und beobachtete aufmerksam die herannahenden Zellen, noch nicht wissend, was sich mir kurz darauf für eine Show bieten sollte…
Nach einer Weile wurden langsam erste Strukturen erkennbar und nach Südwesten hin, etwa in Richtung Bad Kissingen, fiel mir eine tiefe Wolkenabsenkung auf, die verdächtig nach Wallcloud aussah. Doch auch im Vordergrund schien sich eine merkwürdige Struktur abzuzeichnen:
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Langsam wurden auf Fallstreifen des Niederschlags erkennbar und es dauerte nicht lange, bis erstes Donnergrollen vernehmbar war und die ersten Blitze sichtbar wurden:
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Mit dem weiteren Herannahen der Zellen verschlug es mir zunehmend den Atem – mittlerweile grummelte es nahezu pausenlos, immer häufigeres Flackern und gelegentliche Erdblitze wurden sichtbar, und vor allen Dingen die Strukturen der Gewitterzellen offenbarten sich nun zunehmend. Schnell war klar, dass ich hier ohne jeden Zweifel neue Superzellen vor mir hatte – eine im Raum Bad Kissingen, die andere direkt auf Bad Königshofen bzw. die Gegenden nördlich davon zuhaltend. Das Adrenalin fing nun richtig an zu kochen und mir trieb es bei dem Anblick regelrecht die Gänsehaut über den Körper. Derweil stand ich mit meinem Kollegen Dominik und dem Unwetternetzwerk in regen Kontakt, während sich die Superzellen unaufhaltsam näherten…
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Während man die eine Wallcloud im Südwesten sah, nahm nun die Mesozyklone “meiner” Superzelle zunehmend bedrohliche Formen und Färbungen an, zu dem Schwarz gesellte sich in den Wolken und im dichten Niederschlagskern ein grünliches Schimmern – gepaart mit dem ständigen Flackern und dem Dauergrollen eine absolut unwirkliche, bedrohliche Atmosphäre! Auch der Wind nahm nun stark zu, es war klar, dass ich nicht mehr lange an meinem Standort verweilen konnte, denn die Lage wurde immer brenzliger:
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Ein Anblick für die Götter:
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Nachdem ich mich zunächst einfach nicht von diesem Ehrfurcht einflößenden Anblick trennen konnte, sah ich nun in Richtung des Niederschlagskerns die sich immer deutlicher herausbildenden tiefen Wolkenabsenkungen, die verdeutlichten, welches Potenzial in dieser rotierenden Gewitterzelle steckte. Schließlich packte mich doch die “Panik” und das Gefühl, mein neues Auto in Sicherheit bringen zu müssen und ich fuhr schnell ins nahe Bad Königshofen zurück. Dort machte ich folgende, leider in der Eile etwas verwackelte Aufnahmen von der absolut bedrohlich wirkenden Mesozyklone der Superzelle. Ich kann mich bislang nicht erinnern, so etwas derart im USA-Style Definiertes je aktiv als Chaser gesehen zu haben, einfach nur genial dieser Anblick und die Stimmung:
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Wissend, was für ein Potenzial die Lage bot und da Sicherheit grundsätzlich das oberste Gebot ist, suchte ich mir eine Tankstelle zum Unterstellen, um vor den größten Auswirkungen geschützt zu sein:
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Und prompt ging es los mit Starkregen und vor allem Sturm. Das Spektakel währte jedoch nur kurz, denn entgegen meiner Befürchtungen zog die Superzelle mit ihrem Kern nördlich an Bad Königshofen vorbei und so befand sich mein Standort mehr zwischen den beiden Superzellen, die über meine Region bzw. südlich von Bad Königshofen durchzogen. Laut Meldungen gab es weiter nördlich kleineren Hagel, jedoch konnte ich hinterher weder Hagelansammlungen noch größere Schäden vorfinden, auch wenn es einen kräftigen Downburst gab. Nachdem das Gröbste durchgezogen war, fuhr ich bis hinter Irmelshausen kurz vor der Thüringer Grenze, wo ich die Rückseite der unter Dauergrollen und häufigem Flackern nach Osten abziehenden Zellen ablichten konnte. Örtlich kam es – auch laut Medienberichten – zu einigen Sturmschäden, in der Ferne konnte man auch eine Feuerwehrsirene hören:
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Nach Westen zu zeichnete sich noch eine schwache Zelle im Abendlicht ab, die auch einzelne Entladungen hervorbrachte:
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In der Ferne sah man die turbulente Rückseite der Superzellen über Oberfranken, wo es auch mehrere Tornadoverdachtsfälle durch Funnelsichtungen gab. Ich selbst konnte für kurze Zeit eine merkwürdige, schlauchförmige Formation an der Rückseite erkennen, jedoch war es aufgrund der Entfernung nicht möglich zu sagen, inwiefern diese Formation an den Aufwindturm angeschlossen war und ob sie tatsächlich rotierte:
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Nach einer Anfrage unsererseits hat der Meteorologe Thomas Sävert – Betreiber der Tornadoliste Deutschland – uns bestätigt, dass es sich bei der hier abgebildeten Formation sehr wahrscheinlich um eine Funnelcloud, also eine rotierende Trichterwolke gehandelt haben dürfte. Es wird vermutet, dass diese Sichtung zumindest indirekt mit einem Verdachtsfall im oberfränkischen Unterlauter bei Coburg zusammenhängt, wo eine Augenzeugin ebenfalls eine Funnelcloud beobachten konnte. Weitere Informationen hierzu und zwei unserer Bilder inklusive unserer Meldung unter nachfolgendem
Link:
http://www.tornadoliste.de/150707unterlauter.htmAuf der Rückfahrt nach Bad Königshofen konnte ich diverse Felder sehen, die durch den Downburst im Bereich der Superzelle große Druckstellen aufwiesen bzw. zum Teil sogar fast komplett platt gedrückt waren:
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Nach dieser spektakulären Show ging es zunächst einmal zurück nach Bad Königshofen. Die Begeisterung über diese beeindruckende Superzelle steckte mir noch in den Knochen, da kamen auf einmal am späten Abend Meldungen meines Kollegen Dominik, dass im Großraum Würzburg bzw. um Würzburg herum neue Gewitter entstanden, die von einem atemberaubenden Dauerflackern und zahlreichen starken Einschlägen begleitet wurden. Ich sah zu meinem Dachfenster heraus und sah im Südwesten bzw. Süden tatsächlich enormes Wetterleuchten aufkommen – und sowohl das Niederschlagsradar als auch das Himmelsbild gaben Anlass zur Hoffnung, dass es noch näher an Bad Königshofen heran kommen könnte. Dominik stand bei Kitzingen, wo es zahlreiche Naheinschläge gab. Er saß glücklicherweise im Auto, denn völlig unvermittelt schlug ein Blitz plötzlich in etwa 50m Entfernung vor ihm ein (siehe Video). Dieser Snapshot zeigt einen der vielen starken Erdblitze in diesem Gewittercluster:
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Es dauerte nicht mehr lange, da zog der Randbereich des Clusters auch an Bad Königshofen heran. Diese Aufnahmen konnte ich noch machen, ehe kurzzeitig kleiner Hagel und Starkregen einsetzten und auch ich noch zum Abschluss des ereignisreichen Tages eine faszinierende Lightshow genießen konnte:
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Hier noch das
VIDEOzum Unwettertag:
https://www.youtube.com/watch?v=UqDN8tIv_DANach der Unwetterlage im Mai mit zwei Superzellen im Raum Rhön-Grabfeld und einer Superzelle bei Würzburg glänzte nun auch der 07. Juli mit einem sehr ähnlichen Muster, was Zugbahn und Anzahl der Superzellen angeht. Der Juli war jetzt auf dem besten Weg, die lange Durststrecke im Juni wett zu machen und darüber hinaus beendete dieser Unwettertag auch endgültig die rekordverdächtige Hitzewelle, die in Deutschland zuvor Temperaturrekorde mit Höchstwerten teils über 40°C purzeln ließ. Weitere Gewitterlagen sollten folgen, die in gesonderten Berichten geschildert werden.
Grüße aus Unterfranken,
Daniel für’s Team.