Servus
Ich hab mich mal mit der Lage vom 21.07.09 befasst und geschaut wie es zu einer solchen Entwicklung kommen konnte.
Am 21.07.09 zog ein fettes MCS mit eingelagerter Superzelle am südlichen Teil von Benelux nach Deutschland rein.
Dabei kam es zu gigantischen Wolkenstrukturen sowie mehreren Hagelereignissen mit mittelgroßem Hagel um 5cm.
Auch einzelne heftige Fallböen ( Downbursts ) wurden mit der Zelle in verbindung gebracht.
Das ganze war wahnsinnig blitzaktiv!
Zunächst Erklärung zur Entstehung von Superzellen
Superzellen entstehen etwas anders , als normale Gewitterzellen.
Auch sie brauchen die 3 Hauptzutaten Feuchte , Labilität und Hebung.
Eine weitere wichtige Zutat hier ist jedoch "die Windscherung"
Unter Windscherung versteht man die Zunahme und Richtungsänderung des Windes mit der Höhe.
Beispiel
Am Boden weht ein laues Sommerlüftchen von 10Knoten. In der Höhe weht der Wind 5mal so stark mit 50knoten.
Ändert der Wind dabei noch seine Richtung , so entstehen Scherwinde.
Kommt eine Zelle mit starken Aufwinden über ein Gebiet mit starker Windscherung , so fängt sie an zu rotieren
Wichtiges Merkmal ist hierbei die Mesozyklone ( die Geburtsstätte der meisten Tornados ) ,
ein hochreichend rotierendes Aufwindfeld einer Zelle ( Kurz ein rotierender Aufwind ). An der Unterseite ist oft eine Wallcloud zu sehen.
Eine markante rotierende Wolkenabsenkung dicht über dem Boden
Wenn dieser rotierende Aufwind mindestens 20-30minuten erhalten bleibt so spricht man von einer Superzelle.
Was ist so schlimm an einer Superzelle ?
Die Superzelle ist im Prinzip eine normale Einzelzelle mit einem Aufwind und einem Abwind.
Der Unterschied ist jedoch , dass es der am besten organisierte Zelltyp ist.
Aufwindbereich und Abwindbereich sind gut voneinander getrennt. Das macht diese Zelle sehr langlebig , da der Abwind
den Aufwind nicht zerstören kann.Die Pseudokaltfront eines Abwind entlabilisiert die Umgebung und der Inflow
würde zusammenbrechen , somit würde der Zelle die Warmluftzufuhr abgeschnitten.
Durch den starken Aufwind können sich riesige Gewitterwolken bilden. An dessen oberen Ende ( Wolkentop ) herrschen
eisige Temperaturen. So kann sich Hagel bilden. Is der Aufwind nun sehr stark , so kann der Hagel lange in der Wolke
gehalten werden und immer größer werden.
Superzellen produzieren nicht selten Hagel über 5cm.
Zudem ist es die zelle , die für die meisten Tornados verantwortlich ist.
Durch die rotation und die niedrigen Wolkenuntergrenzen können sich leicht Tornados bilden.
wenn in den unteren 0-1km viel Scherung herrscht überholt der Höhenwind den Bodenwind und es
bildet sich eine horizontale unsichtbare rotierende Luftrolle.
Trifft diese auf eine Zelle mit starkem Aufwind wird sie in die vertikale gehoben und beginnt stark zu rotieren.
Nun KANN ein Tornado entstehen.
So nun aber zur Analyse der Lage!
Die Ausgangslage an diesem tag war eine typische Gewitterlage für den Westen Deutschlands.
Eine Hochdruckbrücke von Italien bis Weissrussland und ein Tief über GB.
Zunächst zoh eine Warmfront des Tiefs durch. Hinter der Warmfront wurde es rasch wärmer.
Dahinter folgte eine Kaltfront. Im Warmsektor vor der Kaltfront wurde es durch die starke Vorticity-Advektion des Tiefs
sehr warm.So konnten suptropische Luftmassen nach Westdeutschland kommen.
Auch die Theta-E Werte waren deutlich erhöht. Somit war mit starkem Regen durch die hohe Energie zu rechnen.
Lässt zudem auf erhöhte Blitzaktivität schließen.
Auf dieser Karte auch gut zu erkennen , wie durch die Vorticity-Advektion im Warmsektor nochmals sehr warme Energiereiche
Luft herangeführt wird.Über Frankreich entwickelte sich ein kleines Bodentief.
Rot = Warmfront
BLau = Kaltfront
Lila = Okklusion
Dunkelroter Pfeil = Vortictyadvektion
Vorticity-Advektion 18z
Die Vorticity-Advektion verstärkte die Hebung an der Front zusätzlich. Dahinter ist ein Absinken der Luft zu erkennen , was die Hebungnochmals verstärkt. Selbst ein ziemlich starker Deckel würde bei solchen Vertikalbewegungen gesprengt.
Die Bedingungen für ein paar isolierte Zellen waren geschaffen.
Mit der Kaltfront folgte zudem ein Langwellentrog.
BLau = Trog
Somit kam es zu ordentlich Hebung vor der Front. Taupunkte von 15-19°C waren ausreichend für eine verbreitete Auslöse.
Zunächst herrschte ein mäßiger Deckel , der die Auslöse über Benelux am Vormittag unterdrückte.
So konnte durch die starkre Einstrahlung genug Labilität zustande kommen.
Die Grundschicht konnte sich ordentlich aufheizen , während die Luft in de Höhe schon etwas kühler wurde.
Am Boden herrschten meist Temperaturen von 26-29°C.
entlang der Front baute sich ein recht starker gradient der 850hpa Temperaturen auf. So kam es zu hoher Labilität !
Es kamen verbreitet MLCapes um 1,5KJ zusammen.
Am späten Nachmittag fand dann in der Energiereichen Luft Auslöse statt.
Der Deckel hatte dafür gesorgt , dass sich unterhalb der Grenzschicht ordentlich Energie ansammeln konnte.
Diese wurde nun schlagartig freigesetzt.
Durch starke Vertikalbewegungen mit Trogdurchgang kam es zu teils explosionsartiger Auslöse.
Hier der KO-Index um 18z
Weiter nördlich verringerte sich die Richtungsscherung und die Höhenwinde verliefen paralel zur Front. Deswegen konnten die Zellen dort leicht Verclustern. Durch einen starken Low-Level Jet entlang der gesamten Front kam es zu Sturmböen.
Dazu passend das Sat-Bild
Die Vorraussetzungen für größeren Hagel waren hierbei gegeben !
Denn das EL lag bei ca. 200hpa. In dieser Höhe herrschten an diesem Tag Temperaturen von -60°C !
Ein recht seltenes Zusammenspiel.
Schnell vercluserte die Superzelle mit dem MCS durch Low-Level Jet und Jet.
Sie befand sich nun am südlichen Ende des MCS und konnte durch das aufgeheizte Gebiet um sich herum viel Energie aufnehmen. Der starke Inflow der Zelle sog immermehr Energie in die Zelle.
Der Inflow des MCS war jedoch nicht ganz so stark , sodass die Superzelle ein Großteil der Energie aufnehmen konnte.
Ein Radarbild
Inzwischen kamen erste Meldungen und bedrohliche Fotos aus Benelux.
Die Zelle zog mit über 60dzb direkt auf NRW zu.
Nun wurde schon Hagel bis 4cm mit der Zelle in Verbindung gebracht.
Noch ein Radarbild.
Die Zelle nun über NRW sehr gut zu sehen ist der riesige Eisschirm des Systems, der bis Düsseldorf reicht. Das Deutet auf sehr starke Aufwinde der Zelle. Sie dehnt sich stark zur Seite aus, da sie das EL erreicht hat. Da dieses bei 200hpa lag musste der CB riesig sein und starke Aufwinde haben.
Auch zu sehen , das schwächelnde MCS mit dem sehr starken südlichen Teil. Die ganze Energie ging nun in die Superzelle.
Die roten Pfeile simbolisieren den Inflow am Südende , für ein MCS typisch.
Im Norden die blauen Pfeile dort befindet sich der Outflow. Dieser verhinderte Wirksam das Auslösen neue Zellen , da er die Gegend entlabilisierte. Auch über RLP fand nur vereinzelt Auslöse statt, da dort kaum Hebung zur Sprengung des Deckels vorhanden war. Somit konnte die Superzelle die gesamte Energie nutzen.
Erik Dirksen konnte im Landkreis Heinsberg diese gewaltigen Aufnahmen machen !
(c) Erik Dirksen
Die Wallcloud ist gut erkennbar. Der Niederschlagskern jedoch auch gut ausgeprägt. An der Wallcloud ist ein schöner beaver-tail zu erkennen. Das zeigt , wie stark der Inflow war !
Eines der Bilder hab ich mal beschriftet
Bild von Erik Dirksen
Marcus Rohloff konnte die gigantische Zelle ebenfalls festhalten.
Hier der Beaver-tail besonders markant!
(c) Marcus Rohloff
Dieses Bild stammt von René Pelzer er war mit Tommy (Düren) ebenfalls in den Kreisen Heinsberg und Düren unterwegs
(c) René Pelzer
Eindrucksvoll die größe der Zelle! Die Mesozyklone ist riesig und dazu noch ein Blitz
Das Sounding von Essen
Das LCL lag niedrig bei ca. 1500m. Somit wären Tornados eher unwarscheinlich gewesen. Das MLCape 0-3km lag bei ca. 100j/kg.
Da jedoch die Low-Level Shear in 0-1km niedrig war war eine nicht allzu starke Rotation der Wolkenuntergrenzen möglich.
Dadurch geringe Tornadogefahr.
Dafür zeigt die hohe Wolkenuntergrenze an , dass starke Aufwinde möglich sind. Somit die Hagelgefahr deutlich erhöht.
Gut zu sehen auch die Temperaturabnahme mit der Höhe. Daraus resultierte ein hohes MLCape.
Das EL liegt sehr hoch. in -10 bis -20°C ( in diesem Fall etwa 5000 bis 7000m ) liegt viel Cape. Dadurch hat die Zelle viel unterkühltes Wasser im CB.
Am EL ist es äußerst kalt!
Das potenzial für Blitzaktive Gewitter war also auch vorhanden.
Durch hohe SRH-Werte konnten die Zellen starke Aufwinde entwickeln. Die Hagelkörner konnten in Höhen von über 10.000
meter aufsteigen. Da es am EL sehr kalt war konnten sie gut wachsen.
Dank einer Feuchten 700hpa & einer Feuchten 600hpa war das Potenzial für Downbursts eher gering.
Gut zu sehen ist hier die starke Deep-Layer Shear in 0-6km. sie liegt bei rund 20m/s.
Somit sollten sich vorrangig classic-Supercells entwickeln. Die passierte nun auch
Classic Supercells produzieren meist Hagel von 4-6cm. In diesem Fall bis 5cm.
Hier eine Karte von NRW der Weg der Superzelle ist gut zu erkennen.
Besonders betroffen waren die Kreise Düren,Heinsberg,Mönchen-Gladbach und Wuppertal.
Aus Heinsberg kamen Meldungen von Hagel um 5cm auch in Wuppertal waren es noch bis zu 4cm.
Weiter nordwestlich verliefen die Höhenwinde paralel zur Front. Die Vertikalbewegung verstärkte sich nochmals.
So konnten die Zellen schnell verclustern und ein großes MCS bilden.
Die EML war relativ stark , sodass Auslöse auch noch nachts stattfinden konnte. Es war noch genug Energie vorhandne.
Durch Die TemperaturLapse in 2000-4000m höhe von ca. 7-8K waren weiterhin Blitzaktive Zellen möglich.
Der Feuchtigkeitseinschub in 0-2km höhe verstärkte sich. SOmit waren in der Energiereichen Luftmasse mit hohen Theta-E Werten starke Niederschläge möglich. Auch im MCS waren teils heftige Zellen mit starken Aufwinden eingelagert. so kam es auch im Ruhrgebiet zu Hagelereignissen.
Stephan aus Essen schickte mir dieses Bild
Hagel um 2cm
Ricardo aus Dortmund konnte eine 4 stündige Niederschlagssumme von über 20mm verzeichnen.
MSE29 schickte mir Daten aus Hövelhof , Ostwestfalen , wo auch 18.5mm in nur 2 stunden fielen.
Auch viele andere Stationen aus NRW und Niedersachsen verzeichneten Hohe Niederschlagssummen hier mal eine Liste (c) wetteronline.de
Osnabrück -33Liter
Bad Lippspringe -27Liter
Werl -25Liter
Münster Flugh. -24Liter
Lügde-Paenbruch -22Liter
Ahaus -20Liter
Lokal wurden weitaus höhere Werte gemessen. Bei ESSL wurden z.B 66mm in 2 stunden gemeldet.
Auch hinter dem MCS zogen über NRW noch einzelne starke Zellen durch. Es bildete sich eine Multizellenlinie und weitere Hagelzellen.
Christoph Zernack aus Neersen Nahe Mönchengladbach konnte diese Aufnahmen einer Zelle mit Wallcloud machen
Da das EL vor der Kaltfront immernoch ausreichend hoch war und noch viel Cape vorhanden war waren auch diese Zellen noch sehr blitzaktiv
(c) René Pelzer
Insgesamt waren die Bedingungen für Schwergewitter und Superzellen gegeben.
Es hätte jedoch noch schlimmer kommen können
Zum Abschluss noch ein Erfahrungbericht von Udo K. aus Waldbröl
21.07.09 Unwetter in NRW Koordination von zu Hause - Erfahrungsbericht !Fazit
Das war für NRW mit sicherheit eine der spannensten Unwetterlagen dieses Jahres.
Es kam zu Schäden in Millionenhöhe.
Quellen: GFS Karten von
http://www.wetter3.de Radarbilder von
http://www.wetteronline.de Sat-Bilder von
http://www.Sat-24.comEin besonderer Dank geht an alle , die mir ihre Daten und Bilder zur Verfügung gestellt haben