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BeitragVerfasst: Mo 17. Aug 2015, 21:24:40 
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Servus zusammen!

Am 05. Juli 2015 stand für weite Landesteile eine brisante Unwetterlage an. Eine ausgeprägte Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 40°C und eine hochenergetische Luftmasse schufen die Zutaten für schwere Unwetter mit Großhagel, Starkregen, hohen Blitzraten, heftigen Downbursts und sogar Tornados. Auch Unterfranken sollte diesmal nicht davon verschont bleiben, schwere Sturmböen hinterließen Schäden in Unterfranken.

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Ein Feeling wie in der Sahara war das, als die Hitzewelle das Land im Griff hatte. Dank einer Omega-Hochdrucklage wurde extrem heiße Luft aus dem Norden Afrikas direkt nach Mitteleuropa gepumpt. Dabei wurden in Deutschland diverse Temperaturrekorde vom bekannten “Supersommer” 2003 geknackt. So auch in Unterfranken: zum Höhepunkt der Hitze, am 05. Juli 2015, knackte Würzburg seinen Rekord aus den 1940er Jahren mit 39°C und Kitzingen ist seither der heißeste Ort Deutschlands, denn mit 40,3°C wurde der alte Rekord von 40,2°C aus dem Jahr 2003 eingestellt. Somit war dies der bisher heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland. Doch auch in den Tagen davor war es in Unterfranken bereits sehr heiß mit Höchstwerten bis zu 38°C.

An diesem Tag gesellte sich zu der unerträglichen Hitze auch noch eine zunehmend schwüle, sehr energiegeladene Luftmasse. Die Prognosen sahen für diesen Tag einen Unwetterschwerpunkt im Nordwesten Deutschlands, sogar ein Level 3 wurde von ESTOFEX für diese Region ausgegeben. Inwieweit diese Gewitter noch nach Unterfranken hätten vordringen können, war zunächst noch nicht ganz klar. Spätestens zum Abend sollte sich dann aber zeigen, dass das Südende der Unwetterzone direkt auf uns zuhalten würde.

Der tagsüber teils lebhafte Wind legte sich zum Abend, nach einem mit Gewittervorboten überzogenen Himmel mit Ac cas und Ac floccus war es nun erst einmal wolkenlos. Eine sehr merkwürdige Stimmung, denn nach bald auflebender Gewitteraktivität sah das zunächst nicht aus – die Ruhe vor dem Sturm. Zum Sonnenuntergang nahm die Bewölkung von Westen her jedoch erneut zu, Konvergenz und Kaltfront waren also auf dem Weg zu uns:

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Nordwestlich bzw. nördlich von Würzburg schien es erste Entwicklungen zu geben, also traf ich mich mit meinem Kollegen Dominik, um die Lage weiter im Auge zu behalten und ggf. sofort starten zu können, sobald sich etwas in der näheren Umgebung tun sollte. An unserem Treffpunkt angelangt, sahen wir plötzlich einen mächtigen Aufwindturm knapp östlich von Würzburg, den wir auf der Herfahrt zunächst fast nicht bemerkt hätten. Die massiven Quellungen und die glatte, schwarze Wolkenbasis ließen erkennen, dass sich hier gerade eine Zelle entwickelte. Schon bald wurden erste Fallstreifen des beginnenden Niederschlags sichtbar und es dauerte nicht mehr lange, bis der Aufwindturm anfing, immer häufiger zu flackern:

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Wir fuhren ein Stück weiter nach Osten bis kurz hinter Kürnach im Landkreis Würzburg, um einen besseren Blick auf die sich immer besser entwickelnde Zelle zu haben. Die imposanten Quellungen, der immer ausgeprägtere Niederschlagskern, das Flackern der Blitze im Aufwindturm und um uns herum das Grillenzirpen – all das kreierte eine absolut faszinierende Stimmung.

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Zunehmend konnte man im spärlichen Restlicht der Abenddämmerung auch eine weißliche Färbung des Niederschlags erahnen – diese Gewitterzelle produzierte also sehr wahrscheinlich Hagel. Bestätigt wurde dieser Verdacht auch durch eine Facebookmeldung samt Bild aus Mainsondheim bei Dettelbach im Landkreis Kitzingen, dort kamen größere Hagelkörner vom Himmel.

Wir setzten die Fahrt fort bis in die Nähe von Volkach, wo diese Zelle zuvor entstanden war. Mittlerweile begann der unterfränkische Himmel förmlich zu explodieren.

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Neuentwicklungen auch nordwestlich von uns:

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Sogar fast direkt über uns entstand eine neue Zelle (zu diesem Zeitpunkt noch nicht blitzaktiv, die Blitzaktivität setzte dann erst weiter östlich ein):

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Die Atmosphäre war jetzt richtig unheimlich: mittlerweile schossen um uns herum Gewitterzellen in die Höhe und es flackerte beinahe im Sekundentakt aus nahezu allen Richtungen. Südwestlich von uns sah der Himmel noch recht diffus aus, doch auch dort konnte man eine deutlich zunehmende Zahl an Entladungen feststellen – hier wurde uns klar, dass aus Richtung Würzburg noch mehr unterwegs war!

Es ging weiter zu einem frei gelegenen Standort zwischen Gaibach un Kolitzheim nördlich von Volkach. Zum einen hatten wir da eine kräftige Zelle nördlich von uns, mit Dauerflackern und ständigem Donnergrollen aus dem mächtigen Gewitterturm heraus. Zum anderen machte sich nun aber auch das nächste Gewitter aus Richtung Würzburg mit häufigem Flackern und immer öfter deutlich sichtbaren Erdblitzen auf sich aufmerksam. Hier wusste man gar nicht, in welche Richtung man die Kameras zuerst ausrichten sollte. Hier nun zwei Bilder der Zelle nördlich von unserem Standort; durch die Blitze zeigte sich auch immer wieder ihr imposanter Niederschlagskern, in dem es auch öfter verdächtig nach Downbursts aussah – eine der Hauptgefahren dieses Tages:

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Schon bald gab es jedoch kein Halten mehr, wir mussten jetzt einfach unsere volle Aufmerksamkeit der neuen Zelle widmen, die sich aus Südwesten näherte. Zahlreiche CGs und ständiges Flackern ließen sehr schnell erahnen, dass auch diese Zelle mächtig Dampf auf dem Kessel hatte. Darüber hinaus baute diese Gewitter auch nördlich an, ein Blick auf das Niederschlagsradar zeigte, dass sich nun eine richtige Linie über Unterfranken formierte, die das Südende der Unwetterzone über den nördlich von Bayern gelegenen Regionen darstellte. Es ging jetzt tatsächlich Schlag auf Schlag.

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Mittlerweile war das Unwetter in Würzburg schon in vollem Gange und unser Estenfelder Kollege berichtete uns noch vom Aufzug des Gewitters dort, ehe er selbst zu unwetterbedingten Feuerwehreinsätzen ausrücken musste. Diese Handybilder schickte er uns noch vor seinem Einsatz:

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Derweil, an unserem Standort… Mit Annäherung des Unwetters zeichnete sich nun zunehmend auch eine Böenwalze ab. Die Situation wurde immer brenzliger:

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Nach diesem Foto wurde uns die Situation endgültig zu heikel, denn zum einen frischte der Wind bereits deutlich auf und zum anderen bestand nun hohe Blitzschlaggefahr, besonders einem so exponierten Standort wie diesem hier. Wir packten unsere Sachen ins Auto und fuhren nach Volkach, um dort einen Unterstand zu suchen, wo wir von den gröbsten Auswirkungen des Unwetters geschützt wären. Kaum dort angekommen, brach die Gewalt von Mutter Natur auch schon los. Blitze im Sekundentakt, ein Naheinschlag, eine sich im Dauergeflacker immer wieder abzeichnende Böenwalze, aufkommender Starkregen und heftiger Sturm sorgten für heftige Turbulenzen nicht nur in Volkach.

Anbei gleich einmal das VIDEO zu dem Unwetter:

:arrow: https://www.youtube.com/watch?v=Xv3n7RbGMBU

Mittlerweile gingen auch auf Facebook jede Menge Meldungen über Brände durch Blitzschlag, Sturmschäden und zahlreichen Feuerwehreinsätzen in Unterfranken um und auch an unserem Standort in Volkach dauerte es nicht lange, bis die Feuerwehr zu einem Einsatz an uns vorbeirauschte. Das Niederschlagsradar zeigte unterdessen, dass das Unwetter von Würzburg kommend unter Verstärkung weiter nordostwärts zog, um anschließend beispielsweise in Haßfurt für schwere Schäden zu sorgen. Dieser Fall und auch weitere Ereignisse (inklusive eines Berichts aus Kolitzheim, wo wir kurz zuvor standen), werden mittlerweile als Tornadoverdachtsfälle gelistet, wobei es allerdings genau so wahrscheinlich ist, dass hier extreme Fallböen am Werk waren. Wir begaben uns schließlich zurück auf unseren Standort zwischen Gaibach und Kolitzheim, um dort die atemberaubende Crawler-Show an der Rückseite des abziehenden Unwetterkomplexes zu betrachten:

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Auf dem Weg zurück nach Würzburg mussten wir über teils mit Laub und Ästen übersäte Straßen fahren, es wurde nun häufiger über Schäden und Feuerwehreinsätze u.a. im östlichen Landkreis Würzburg berichtet. In Kürnach fuhren wir auch einem Holzzaun vorbei, der samt Verankerung einfach umgerissen worden war. In Würzburg selbst konnten teils große herabgerissene Äste an den Straßenrändern und auf Gehwegen gesichtet werden, am folgenden Tag bot sich im Ringpark sogar ein noch wüsteres Bild mit auf halber Höhe abgeknickten Bäumen und jede Menge herabgestürzter großer Äste. Auch erreichten uns Berichte und Meldungen aus Haßfurt, wo ein besonders starkes Sturmereignis schwere Schäden hinterlassen hat. Im Folgenden nun einige Bilder zu den Schäden in Würzburg und Haßfurt:

Lengfeld, Würzburg:

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Versbach:

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Sturmschäden im Würzburger Ringpark:

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Hier wurde ein Nadelbaum einfach geköpft:

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Offiziell wurden in Würzburg schwere Sturmböen jenseits der 90 km/h registriert, lokal waren in der ganzen Region aber sicherlich auch orkanartige Böen am Werk. Die Gefahr bestand an diesem Tag vor allem auch in Fallböen bis hin zur Orkanstärke, und sieht man sich die folgenden Schadensbilder aus Haßfurt an, so darf man auch davon ausgehen, dass Böen dieser Stärke örtlich aufgetreten sein könnten.

Folgende Schadensbilder aus Haßfurt hat uns Benjamin von Grafenstein zur Verfügung gestellt, vielen Dank dafür!

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Zusammengefasst war dies mit Sicherheit eine der heftigsten Unwetterlagen, die Unterfranken seit dem berühmt berüchtigten 30. Juni 2012 erlebt hat. Zwei Tage später sollte jedoch noch Nachschub folgen, dazu dann mehr in einem separaten Bericht. Hier nun noch einige Radarbilder zu den Unwettern (Quelle: www.wetteronline.de):

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Auch heute lassen sich immer wieder noch Sturmschäden in der Region finden, die vor allem aus dieser Unwetternacht stammen dürften.

Grüße aus Unterfranken,

Daniel und Team.

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Verfasst: Mo 17. Aug 2015, 21:24:40 


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BeitragVerfasst: Mo 17. Aug 2015, 22:18:42 
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Registriert: Mi 3. Sep 2008, 23:13:19
Beiträge: 57325
Wohnort: Kirchheim bei München (520 m ü. d. M.)
Servus Daniel,

und das war gleich noch mal eine super Ausbeute. Das macht schon etwas her, wenn man zuschauen kann, wie so eine Zelle hochgeht. Aber so viele Schäden hätte es dann nicht gebraucht. Danke fürs Zeigen! :)

Alles Gute

Max

_________________
Es gibt immer zwei Gründe für eine Entscheidung, nämlich eine offizielle und eine tatsächliche. Manchmal sind beide gleich, aber oft unterscheiden sie sich weit von einander.


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BeitragVerfasst: Di 18. Aug 2015, 06:29:16 
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Sonnensturm
Sonnensturm

Registriert: Sa 6. Sep 2008, 20:21:07
Beiträge: 20509
Da war ja wirklich was los. Grandiose Aufnahmen! :zustimm:

_________________
"Inflation ist ein Prozess in dem Reiche die Armen im Kampf um die knappen Ressourcen ausstechen."


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