Hallo zusammen.
Deutschland hat ein wahres Unwetterwochenende hinter sich, dabei sollte der Samstag einen klaren Höhepunkt darstellen. In einem breiten Streifen von Südwest nach Nordost gab es an dem Tag zunächst eine Reihe giftiger Superzellen, bevor dann ein riesiger MCS samt Sturm, Starkregen und einer Blitzshow ein Ausrufezeichen setzen sollte. Dass es ein durchaus außergewöhnlicher Unwettertag werden könnte, ahnte man schon, als ESTOFEX ein Level 3 ausgab. Ich ließ es mir also nicht nehmen, mit zwei Kollegen (Simon und Thomas) die Ausrüstung einzupacken und auf Gewitterjagd zu gehen.
Nach einem schwülheißen Freitag, der im nördlichen Unterfranken schon Superzellen hervorbrachte (hat man gut von Würzburg aus sehen können), begann der Samstag bereits früh morgens zwischen 4 und 5 Uhr mit einem gewittrigen Weckruf, der Hoffnung auf einen spannenden Tag machte. Eine Gewitterzelle zog nordwestlich bis nördlich an Würzburg vorbei. Es gab weder Regen noch Wind, doch man konnte schön die Blitze beobachten, dabei donnerte es immer wieder aus der Zelle heraus. Eine wunderbare Stimmung zusammen mit der Morgendämmerung und den zwitschernden Vögeln. Dazu jedoch an anderer Stelle ein paar Eindrücke, das würde hier jetzt den Rahmen sprengen.
Am Tage war es dann über Würzburg wie vielerorts fast wolkenlos oder nur leicht bewölkt. Ab und an sah man erste Gewittervorboten am Himmel. Dabei war der Himmel den ganzen Tag diesig, ein Umstand, der mich weiter hoffen ließ, obwohl die Feuchte durch einen Trockeneinschub zunächst einmal etwas nachließ. Die Schwüle sollte jedoch bald wieder zurückkommen, mit jeder Menge Action im Gepäck.
Zwischen 17 und 18 Uhr kündigte sich schließlich über Baden-Württemberg eine erste explosive Entwicklung an. Prompt wurde der Eisschirm dieser Zelle bis nach Würzburg ausgeweht. In der Erwartung, dass sich diese Zelle unserer Region nähern würde, machten wir uns auf den Weg Richtung Volkach, um dort in den Weinbergen einen Blick auf die Zelle zu erhaschen.
Aufziehender gewaltiger Eisschirm mit Mammatus-Wolken:
1. Bei der Vogelsburg:
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Doch dann die Überraschung: wir hatten uns zu sehr auf die anfängliche Radarprognose verlassen. Die Gewitterzelle hatte sich ganz offensichtlich zu einer gefährlichen Superzelle gemausert und scherte stark nach Osten aus, Richtung Nürnberg. Obwohl mehr oder weniger klar war, dass wir sie praktisch nicht mehr richtig einholen konnten, entschieden wir uns dazu, auf die A3 zu fahren, um ihr noch ein wenig entgegenfahren zu können in der Hoffnung, doch noch was vor die Linse zu bekommen (als bis dahin eher Superzellen-vernachlässigter Würzburger will man da eben nichts unversucht lassen...). Schon bald zeigte sich, dass das keine gute Idee war: wegen eines ausgebrannten PKWs steckten wir im Stau fest. Aber wir wollten noch nicht aufgeben... obwohl die eigentliche Zelle trotz des weit ausgewehten Eisschirms noch weit weg war, kam plötzlich starker Wind auf aus teils unterschiedlichen Richtungen auf, auch ein paar Tropfen Regen kamen aus dem Eisschirm heraus. Selbst ein mächtiger Erdblitz kam trotz der Entfernung zur Zelle aus dem Wolkenschirm herausgeschossen. Als wir endlich weiter vorankamen, sahen wir lokal gröbere Sturmschäden, wie beispielsweise zum Teil große herabgerissene Äste auf dem Standstreifen.
Der Eisschirm mit Mammatus über der A3, dazu eine aufgrund der hohen Feuchte total diesige Luft:
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Wir fuhren also weiter, bis wir bei Höchstadt a. d. Aisch ein Einsehen hatten, dass es zwecklos war. Wir fuhren von der Autobahn ab und machten auf einem Feldweg bei Nackendorf Halt.
6. Gewitterhimmel auch dort:
7. Die Superzelle Richtung Nürnberg. Im Nachhinein bin ich froh, dass wir nicht näher heran kamen, denn wie bekannt wurde spuckte diese gewaltige Zelle bis zu 9cm großen Hagel aus - das wäre für meinen Twingo definitiv zu viel gewesen.
Auch dort holte uns noch einmal der starke Wind ein. Wir entschlossen, wieder auf die A3 zu fahren und nach Würzburg zurückzukehren. Wie sich zeigen sollte eine sehr gute Entscheidung, vom Timing her gut passend. Denn Würzburg hatte eine ungewöhnliche Gewitterserie vor sich!
Auf der Heimfahrt bekamen wir zunächst einmal einen Blick auf die mächtige Rückseite der Mittelfranken-Superzelle, einfach beeindruckend - auch ein schöner Rücken kann entzücken!
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Weiter ging es, diesmal zum Glück ohne Verkehrsprobleme, Richtung Würzburg. Auf einmal verdeckte ein neuer großer Eisschirm die Sonne. Offensichtlich war da schon wieder irgendwas im Busch!
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Je näher wir an Würzburg heran kamen, desto deutlicher sah man eine dicke Gewitterzelle heranziehen. Somit verließen wir die Autobahn, um zum Mainfrankenpark nahe Dettelbach zu gelangen. Von dort aus bot sich uns folgendes Bild der zweiten Superzelle des Tages:
12. Ein leider durch die Hagel- und Starkregenwand verdeckter Rightmover trieb südlich von uns sein Unwesen, Hagel bis 5cm Korngröße wurde u.a. aus der Gegend um Marktbreit gemeldet.
13. Derweil der zu dieser Zelle gehörende mächtige Eisschirm, ebenfalls mit Mammatusstrukturen, aus dem es immer wieder blitzte und ohne Unterlass vor sich hin grummelte - sehr gespenstische Stimmung! Im Hintergrund die abziehende Superzelle über Mittelfranken:
Dann fiel mir im Regenschleier und im Lichte der Abendsonne plötzlich etwas Richtung Würzburg auf: scheinbar zog auf die Stadt ein weiteres Gewitter zu. Wie sich herausstellte, wurden wir Zeuge eines Zellsplits, sodass, während der Rightmover südlich an uns vorbeizog, ein giftiger Leftmover auf Würzburg zuhielt! Zunächst bemerkten wir ihn gar nicht, doch dann wurde er diffus erkennbar, eine sehr merkwürdige Stimmung:
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Also nicht lange fackeln, ab ins Auto und auf nach Würzburg, um die neue Superzelle dort abzufangen. Es dauerte nicht lange, bis wir auf der B8 in heftigen Starkregen hinein kamen, durch den sich das Wasser auf der Fahrbahn sammelte. Dabei schien die Sonne immer noch diffus durch den Niederschlag, ein irres Bild! Das Stadtgebiet von Würzburg war dabei vom Niederschlag verschleiert. Wie sich zeigte, war auch hier unser Timing gut! Denn wir kamen gerade in die Stadt gefahren, als der Hagel abzog. Zuvor wurde sowohl das Stadtgebiet als auch der Landkreis von Hagel bis teilweise Golfballgröße getroffen, der zum Teil Autos beschädigte und diverse andere kleinere Schäden hinterließ. Eine wahre Seltenheit in Würzburg! Schon kleiner Hagel ist hier fast so etwas wie eine Sensation. Somit blieb mein Auto zum Glück von Hagel nochmal verschont, wenn gleich auch im Starkregen immer mal wieder kleinere Hagelkörner, zumindest der Geräuschkulisse nach - auf das Auto gefallen sein müssen.
16. Im Starkregen in Würzburg, auch hier sammelte sich vielfach das Wasser auf den Straßen:
Wir hielten zwischen Lengfeld und Versbach bei einem großen schwedischen Möbelgeschäft, von dort aus hat man eine gute Aussicht. Uns bot sich ein faszinierendes Bild: die Hagel- und Starkregenwand zog gerade in östlicher Richtung ab, links daneben schien die untergehende Sonne. Zudem fing diese an, den ganzen Gewitterhimmel immer mehr in eindrucksvolle abendliche Farben zu tauchen, während es besonders aus den Gewitterzellen südlich und südwestlich (letztere sollte uns gleich noch mehr beschäftigen) vor sich hin donnerte. An dieser Stelle sei gesagt, dass sich die Blitzentladungen zumeist in den Wolken abgespielt haben, Erdblitze gab es so gut wie keine zu sehen.
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Dann blickte ich zufällig mal nach oben - und war baff: über uns rotierte gerade ein turbulenter Aufwind vor sich hin! An einer Stelle schien es mal einen Funnelansatz zu geben, aber da daraus weiter nichts wurde und sich das Gebilde wieder auflöste, richteten wir unsere Aufmerksamkeit wieder dem übrigen Geschehen. Im Folgenden nun ein paar Bilder von dem turbulenten, rotierenden Aufwind des Leftmovers:
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21. Turbulente Fetzen:
22. In südwestlicher Richtung kündigte sich auch schon wieder etwas Neues an:
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28. Nochmal Blick nach Südwesten: das Donnern hörte einfach nicht auf, und im Kontrast zwischen hellem Eisschirm und dem dunklen Rest der Gewitter zeichnete sich langsam eine neue Aufwindbasis ab:
29. Währenddessen, Richtung Westen: ein friedlicher Sonnenuntergangshimmel, als wäre nichts los!
30. Großer Eisschirm mit Mammati über uns:
31. Nun wurde ich langsam etwas nervöser... während sich die Farben des Sonnenuntergangs intensivierten und einen krassen Kontrast zu den dunklen Gewitterwolken bildeten, wurde die neue Aufwindbasis samt nachfolgendem Niederschlagskern nun deutlicher sichtbar. Da kam schon wieder etwas auf uns zu...
32. Chaotischer Gewitterhimmel über unseren Köpfen:
Dann dauerte es nicht mehr lange, und die beeindruckenden Strukturen wurden deutlicher. Auch erkannten wir nun gut den Niederschlagskern. Wie ich im Nachhinein erfuhr, gab es erstaunlicherweise nach Durchzug der ersten Superzelle nochmal einen Zellsplit südwestlich von Würzburg! Während der Rightmover wieder südlich vorbei zog, stand nun der zweite Leftmover des Abends vor Würzburgs Toren! Wir machten noch einige Bilder, doch als es dann verstärkt direkt über uns in den Wolken blitzte und für mich der Niederschlagskern neuerlich nach Hagel aussah, zogen wir es vor, zu mir nachhause nach Versbach zu fahren. Da meine Regierung unterwegs war, hatte ich nämlich die Möglichkeit, mein Auto in der Garage unterzustellen. Bilder vom Leftmover:
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Regen setzte ein, und wir schafften es gerade noch rechtzeitig nach Versbach. Kurz darauf mischten sich nämlich wie ich es erwartet hatte kurzzeitig wieder Hagelkörner unter den Regen. Die Zelle zog jedoch schnell weiter, und so hatten wir einen genialen Blick auf die abziehende Superzelle im Abendlicht samt ihres sich intensivierenden Hagel- und Starkregenkerns, während es in den Wolken immer wieder blitzte.
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Nun könnte man ja meinen, dass es das gewesen wäre nach einer ganzen Reihe von Superzellen, die ja schon viel Action gebracht haben. Aber weit gefehlt... nun näherte sich das finale furioso in Form eines riesigen MCS. Wir bezogen Stellung zwischen Lengfeld und Estenfeld und ließen das Monster auf uns zuziehen. In verschiedene Richtungen blitzte es unaufhörlich, immer wieder schossen auch schon Wolkenblitze über uns hinweg. Zum Fotografieren war das Ganze dank Regen leider nicht geeignet, doch aus dem Auto heraus konnte ich wenigstens zwei brauchbare Blitzfotos machen:
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Schließlich zeichnete sich eine Böenfront im Blitzgeflacker ab. Wie sich herausstellte, sollten die stärksten Bereiche des MCS diesmal knapp an Würzburg vorbeiziehen - gut, denn so gab es zumindest keine vollen Orkanböen - doch dann legte die Party auch bei uns nochmal eine Schippe drauf. Schwere Sturmböen bis 94 km/h fegten über uns hinweg, dazu gab es Starkregen.
Das Ganze zog sich eine Weile so hin, und als der eigentliche MCS abzog folgte ein zweiter sich abschwächender Gewitterkomplex, der noch einmal stürmischen Wind und Platzregen brachte. Zu diesen Ereignissen bitte ich einfach das Video anzuschauen. Schließlich machten wir - nach gut 6 Stunden Chasing und bestimmt rund 200 km, die wir gefahren sind - unseren Schlusshock beim "Burgerbrater unseres Vertrauens" (Zitat meines Kumpels Thomas), da wir aufgrund der Unwetterserie noch gar kein vernünftiges Abendessen zu uns genommen hatten. Dabei sahen (und hörten) wir, wie sich draußen zum Abschluss noch ein paar vereinzelte kräftige Blitze entluden, davon mindestens einer definitiv ein positiver Erdblitz, der irgendwo im Stadtgebiet eingeschlagen haben müsste.
Das Video zum Unwettertag:
http://www.youtube.com/watch?v=CsZS4LHa ... e=youtu.beDie Bilanz der Unwetterserie: die schweren Sturmböen rissen Äste von den Bäumen, in der gesamten unterfränkischen Region waren Feuerwehren wegen umgestürzter Bäume, Überflutungen etc. im Einsatz. Der Hagel verursachte im Raum Würzburg teilweise einige Schäden. Die Regensumme in Würzburg belief sich auf etwa 26 l/m², die Spitzenböen lagen bei 94 km/h.
43. Abgerissener Ast bei Estenfeld:
Alles in allem war das eine der ungewöhnlichsten Unwetterserien, die ich je erlebt habe. Zudem hat Würzburg für Wetterverhältnisse gesehen, die man hier bei weitem nicht so oft hat wie andere Regionen. Insofern war das sehr wohl ein besonders ereignisreicher Tag, sodass ich dieses Chasing sicherlich nicht vergessen werde (mal davon abgesehen, dass wir uns den Weg bis nach Höchstadt a. d. Aisch auch hätten sparen können, aber man lernt eben nie aus.)
Anbei nun noch einige Radarbilder, die schön die beiden Superzellen-splits bei Würzburg zeigen:
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Quelle: http://www.wetteronline.de)
Ich hoffe, der ausführliche Bericht hat euch gefallen. Über Feedback würde ich mich wie immer freuen!
Beste Grüße aus Würzburg,
Daniel.